Posts mit dem Label aleksander askoldow werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label aleksander askoldow werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 30. Dezember 2013

FILMKRITIK: Komissar (UdSSR 1967/1988) (10/10)

Alternative Titel: Die Kommissarin, Commissar, The Commissar, Комиссар

Regie: Aleksander Askoldow
Drehbuch: Aleksander Askoldow nach einer Erzählung von Wassili Grossman
Produktion: Aleksander Askoldow
Musik: Alfred Schnittke
Darsteller: Nonna Mordjukowa, Rolan Bykow, Raissa Nedaschkowskaja, Ljudmila Wolynskaja, Wassili Schukschin, Otar Koberidse, Ljubow Katz, Pawel Levin, Dmitri Kleyman, Marta Bratkowa, Igor Fischman

Handlung:
Ukraine, zur Zeit des russischen Bürgerkrieges:
Die Politkommissarin Klawdia Wawilowa (Nonna Mordjukowa) offenbart ihren Kommandeur (Wassili Schukschin), dass sie schwanger sei. Da die Weisse Armee näher rückt, wird Klawdia zum jüdischen Kesselflicker Jefim Magasanik (Rolan Bykow) geschickt, bis alles um ist, und um das Kind dort zu gebären. Nach anfänglichen Problemen nehmen Jefim und seine Frau Maria (Raissa Nedaschkowskaja) sie als eine Art Familienmitglied auf, und Klawdia wird auch von den Kindern akzeptiert. Aber das Leben in den oft von antisemitischen Pogromen heimgesuchte Dorf ist nicht immer leicht...

Review:
"Komissar" ist ein wahrhaftiges Meisterwerk. Gedreht wurde der Streifen schon im Jahre 1967, zum 50. Jahrestag der Russischen Revolution im Jahre 1917. Da die Partei die Filme die den Bürgerkrieg zum Jahrestag allerdings als heroische Propaganda gezeigt werden musste, wurde der Film abgelehnt. Aber dies war nicht der einzige Grund, weshalb der Film damals als "Antisowjetisch" verboten wurde: der Film zeigte Juden - Juden als Opfer! Und dazu noch jüdische Kultur - die Szene, wo die Großmutter ein Gebet auf jiddisch aufsagt, waren die ersten jiddischen Sätze in einem sowjetischen Film. Die sowjetische Regierung hasste Juden - ihre Kultur, ihre Sprache, ihre Religion - und ihren Stolz. Obwohl Lenin die antisemitischen Pogrome der Zarenzeit und des Bürgerkrieges verurteilte, und bis zum Ende der 30´er Jahre in der Ukraine und in Weißrussland jiddische Schulen und Zeitungen existierten, war der Zionismus verboten und die Religion de facto verboten. Und der bereits existierende Antisemitismus ist nach der Revolution natürlich nicht gestorben. Man hat, besonders nach 1948, "Zionist", statt "Jude" gesagt. Und nach dem Zweiten Weltkrieg hat man in der Sowjetunion den Mord an den Juden (und Roma) sowie die Kollaboration der einheimischen Bevölkerung mit den Nazis, total runtergespielt.

Der Film wurde erst 1988 freigegeben, und bekam dann den Silbernen Bären auf der Berlinale 1988.

Der Film (mit besonders grosser jüdischer Beteiligung, wenn man sich den Cast ansieht - allen voran Rolan Bykow) zeigt die jüdische Kultur in einem positiven Licht. Der Film zeigt auch die Rote Armee nicht als "heroische Befreier", sondern zeigt sie eigentlich als ganz normale Menschen, mit Fehlern, die eben auch jeder Mensch hat. Und er zeigt auch, das Krieg eigentlich nichts gutes ist - und das Krieg auch nicht heroisch ist, wie es die damalige Propaganda gezeigt hat. Krieg ist schrecklich - da sterben Menschen, und Dinge werden zerstört. Das zeigt sich hier vor allem an die Namenlose Stadt, die gezeigt wird, wenn die Rote Armee dort hineinzieht. Die Stadt scheint Tod.

Nonna Mordjukowa hatte mit diesen Film hier wohl ihre grösste Rolle. Sie spielt diese Rolle mit Leidenschaft, und der Charakterwandel, den ihre Rolle erfährt, nimmt man ihr auch voll ab. Die Rolle der Klawdia wandelt sich von einer harten, militärischen Person in eine weiche, menschliche Mutter die auch Mitleid empfindet. Rolan Bykow (einer der grössten jüdischen Schauspieler der Sowjetunion, möge er in Frieden ruhen) spielt die Rolle des Jefim in einer Mischung aus Lebensfreude und melancholischer Todesahnung, und seine Rolle hat hier auch einen ukrainischen Akzent. Raissa Nedaschkowskaja ist auch sehr gut als Maria, ebenso wie Ljudmila Wolynskaja als Großmutter.

Der Film hat auch diverse Traumsequenzen - zum Beispiel eine, wo Klawdia eine Vision hat von dem Schicksal ihres geliebten, dem Vater ihres Kindes. Eine Sequenz, die einen nie wieder los lassen wird, ist die folgende: in einer Nacht wo sich ein Pogrom nähert, und der Vater die Familie durch tanzen ermuntert, kriegt, bekommt Klawdia eine Vision dem Schicksal, dass die ukrainischen Juden rund 20 Jahre später ereilen wird: die Familie Magasanik, und andere Juden, allesamt mit dem von den Nazis aufgezwungenen Judenstern, gehen alle Willenlos in ein Ghetto rein (die Insassen haben allesamt KZ-Pyjamas an), und die Kamera zoomt ein auf das Gesicht von Klawdia, die erahnt, was ihnen passieren wird. Bei dieser Sequenz musste ich weinen, es war so tragisch, und so episch gefilmt. Der Film ist wirklich einer der besten Filme, den ich je gesehen habe. Den Silbernen Bären hat der Film 1988 richtig verdient! Und ich weis auch, dass ich die Erzählung "In der Stadt Berditschew" von Wassili Grossman lesen muss.

PS. Ich wundere mich, wieso sich Aleksander Askoldow sich als Frau, "Aleksandra Askoldowa" im Vorspann nennen lies?

Screenshots:

Ach, der letzte Tag meiner Zwanziger!

Heute ist Purim, und es ist eines meiner Lieblingsfeiertage. Und heute fällt er zufällig auch auf dem letzten Tag meiner Zwanziger - denn mo...